Bestandteil einer Gewinn- und Verlustrechnung jedes Unternehmens sind die Abschreibungen. In der Finanzbuchhaltung werden die beweglichen Güter des Anlagevermögens nach genauen Vorschriften abgeschrieben. Diese finden sich im Handelsgesetzbuch (HGB) sowie im Einkommenssteuerrecht. Durch die Abschreibung wird der Wertverlust verbucht, der durch Abnutzung und Alterung der Gegenstände zu verzeichnen ist. In der Bilanzierung gibt es genaue Vorschriften für die Höhe der Abschreibungen, die auch für die Einnahme- Überschussrechnung kleiner Gewerbetreibenden gelten. Doch diese allgemein gültigen Regeln können natürlich nicht die geschäftlichen Bedingungen des einzelnen Unternehmens abbilden.
Die Abschreibung nach Handels- und Steuerrecht
Der jährliche Wertverlust des Anlagevermögens stellt für das Unternehmen Aufwand dar. Die Absetzung für Abnutzung (AfA) darf als Abschreibung in die laufenden Kosten gebucht werden. Nach geltendem Recht müssen die Gegenstände über ihre voraussichtliche Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Diese Gebrauchsdauer der Anlagegüter dürfen jedoch nicht nach der tatsächlichen betrieblichen Situation festgelegt werden, sie werden in regelmäßigen Abständen von der Bundesfinanzbehörde veröffentlicht. Diese Auslistungen sind umgangssprachlich als AfA-Listen bekannt. Sie werden für die einzelnen Wirtschaftszweige spezifisch entwickelt und enthalten deren typische Anlagegüter mit ihrer Nutzungsdauer. Diese AfA-Listen sind verbindlich, nur mit triftigen Gründen darf das Unternehmen eine kürzere Abschreibungsdauer ansetzen. Zur Zeit ist für alle angeschafften Güter der aktuellen Wirtschaftsjahres nur die lineare, also die gleichmäßige, jährliche Abschreibung erlaubt.
Eine Ausnahme bilden die geringwertigen Wirtschaftsgüter. Liegen deren Anschaffungskosten unter 410 Euro (aktueller Wert des Jahres 2014), so dürfen sie sofort abgeschrieben werden. Ihre Anschaffungskosten können also gleich in die Kosten gebucht werden. Diese Regel ist eine Kann-Bestimmung. Das Unternehmen kann auch über die voraussichtliche Nutzungsdauer der AfA-Liste oder im Rahmen eines Sammelpostens über 5 Jahre abgeschrieben werden.
Andere Bedingungen im Unternehmen
Für die Erstellung der Bilanzen müssen die vorgeschriebenen Abschreibungen vorgenommen werden, auch wenn im Unternehmen andere Voraussetzungen vorliegen. So kann eine Maschine, deren Nutzungsdauer laut AfA-Liste 8 Jahre beträgt, in der laufenden Produktion voraussichtlich 10 Jahre genutzt werden. Die jährliche Abschreibungsrate wäre also geringer.
Andererseits kann der Wiederbeschaffungswert der Maschine in 10 Jahre deutlich höher sein als die heutigen Anschaffungskosten, die die Grundlage für die bilanzielle Abschreibung sind. Auch Anlagen, die im Moment gar nicht genutzt werden, müssen in der Buchhaltung abgeschrieben werden, obwohl sie (eingemottet und gut verpackt) sich gar nicht abnutzen. Ein hochwertiges Fahrzeug, abgeschrieben über 5 Jahre, hat aber nach der Abschreibungszeit noch einen hohen Wiederverkaufswert, der in der Buchhaltung unberücksichtigt bleibt.
Kalkulatorische Kosten für die Preisermittlung
Die Daten aus der Finanzbuchhaltung werden im Unternehmen nicht nur für die korrekte Gewinn- und Verlustermittlung verwendet. Alle Angaben werden auch in der Kosten- und Leistungsrechnung benötigt. Dabei geht es um die Frage, welche Kosten an welcher Stelle im Unternehmen entstehen, welche Produkte und Dienstleistungen Gewinn erzielen und wo Optimierungspotentiale liegen. Die Kosten- und Leistungsrechnung bildet auch die Grundlage für die Preiskalkulationen von Waren und Leistungen. Dabei kann es jedoch fatal werden, wenn die angesetzten Kostengrößen zu niedrig sind. Alle Ausgaben müssen am Markt erst verdient werden, die Kalkulationsabteilung muss also einen Verkaufspreis ermitteln, der alle Kosten deckt und einen angemessenen Gewinn abwirft. Sicher muss man den so kalkulierten Preis auch am Markt durchsetzen können. Gelingt das auf Dauer nicht, muss über das Produkt generell nachgedacht werden. Kein Unternehmen kann langfristig überleben, wenn es im Minus arbeitet.
Für alle Aufwendungen, denen aus der Finanzbuchhaltung keine Kosten in wirklicher Höhe zugeordnet werden können, berücksichtigen die Unternehmen sogenannte kalkulatorische Kosten bei der Preisermittlung. Das können sein:
- der Unternehmerlohn, wenn es keinen angestellten Geschäftsführer gibt
- kalkulatorische Miete, wenn eigene Gebäude genutzt werden
- kalkulatorische Zinsen für das eingesetzte Eigenkapital
- kalkulatorische Abschreibungen
- kalkulatorische Wagnisse
Ziel der kalkulatorischen Abschreibung
Sowohl bilanzielle als auch kalkulatorische Abschreibungen gehören zu den nicht ausgabewirksamen Kosten. Ist die Abnutzung in den Verkaufspreisen des Unternehmens ausreichend hoch einkalkuliert, fließen die Abschreibungsbeträge zusammen mit den Umsatzerlösen zurück. Würde diese Summe regelmäßig auf ein anderes Bankkonto separiert werden, stünden am Ende des Abschreibungsdauer (und nach Erhalt eines eventuellen Restwertes) ausreichende finanzielle Mittel für eine neue Investition (siehe auch Artikel Investment im Lexikon) zur Verfügung. Ziel der kalkulatorischen Abschreibung ist es also, den Wiederbeschaffungswert eines Anlagegutes über die Umsatzerlöse zu verdienen, um so die Substanz des Unternehmens zu erhalten. Die Abschreibung ist ein wichtiges Finanzierungsmittel für die Unternehmen. Diese Innenfinanzierung erfordert keine zusätzlichen Darlehen und keine Zinsen.
Merkmale der kalkulatorischen Abschreibung
Die kalkulatorischen Kosten werden nur so im Unternehmen berücksichtigt, wie sie tatsächlich im Betrieb verbraucht werden. Für die Abschreibung lassen sich folgende Kernpunkte festhalten:
- kalkuliert werden nur Abschreibungen für bewegliche Güter, die tatsächlich für die Erzielung von Erlösen genutzt werden
- auch geringwertige Wirtschaftsgüter können mit einbezogen werden
- Berechnungsgrundlage ist der Wiederbeschaffungspreis des Wirtschaftsgutes, der durchaus höher sein kann als die Anschaffungs- und Herstellkosten
- ein zu erzielender Restwert wird berücksichtigt
- die Abschreibung kann linear oder degressiv oder auch leistungsbezogen erfolgen
- bei vorzeitigem Ausscheiden des Anlagegutes erfolgt keine Sonderabschreibung
- die kalkulatorische Abschreibung wird auch dann weiterhin eingeplant, wenn die voraussichtliche Nutzungsdauer erreicht ist
Berechnung der kalkulatorischen Abschreibung
Für die Preiskalkulation wird die Abschreibung nach folgender Formel ermittelt:
Formel:
Kalkulatorische Abschreibung = (Wiederverkaufswert – Restwert) / Nutzungsdauer
Die kalkulatorische Abschreibung gehört zu den sogenannten Anderskosten, da die Abnutzung ja auch in der Finanzbuchhaltung als Kosten erfasst wird, ihre Höhe jedoch für die Kalkulation anders sein kann. Im Vergleich zur bilanziellen Abschreibung errechnet sich der kalkulatorische jährliche Abschreibungsbetrag einer Anlage wie folgt:
In der Regel ist der Wiederbeschaffungswert des Anlagegutes höher als die Anschaffungskosten, so dass die Abschreibungsrate in der Kalkulation größer wäre als in der Bilanz. Das wird jedoch meist dadurch relativiert, dass die Nutzungsdauer länger eingeschätzt wird sowie ein Wiederbeschaffungswert vorliegt.
In der Finanzbuchhaltung werden die Abschreibungsmodalitäten in der Regel im Jahr der Anschaffung festgelegt. Für den jährlichen Abschluss wird dann nur noch geprüft, ob eine unvorhersehbare Abnutzung zu einer Sonderabschreibung zwingt. Für die kalkulatorische Abschreibung sind die Ausgangswerte jedoch jedes Jahr neu zu prüfen. Da die Kalkulation nur für interne Zwecke genutzt wird, kann auch die Abschreibung den veränderten Bedingungen regelmäßig angepasst werden, zum Beispiel bei einer anderen Einschätzung des Wiederverkaufswertes oder der Nutzungsdauer.
Kalkulatorische Abschreibungen der Kosten- und Leistungsrechnung dürfen nicht vernachlässigt werden. Durch die Abschreibung auf den Wiederbeschaffungswert wird Substanzerhalt des Unternehmens gesichert. Die Finanzierung der Ersatzinvestitionen kann nur durch den Rückfluss der Abschreibungswerte über den Umsatzerlös erfolgen.
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