Fertigungstiefe

Fertigungstiefe: Alles selbst machen oder auf Partner setzen?

Alles selbst machen oder auf Partner setzen?

Unternehmer müssen ständig verschiedene Makro- und Mikroentscheidungen treffen. Grundlegende Entscheidungen sind zum Beispiel die Wahl der Unternehmensform oder die Auswahl eines passenden Zulieferers. Doch es gibt auch noch dazwischen Entscheidungsstufen.

Die sogenannte Fertigungstiefe beschreibt das Verhältnis von eigens produzierten Produkten und eingekauften Produkten. Eine geringe Fertigungstiefe bedeutet, dass wenig selbst produziert wird. Reine Händler sind ein Beispiel. Aber warum ist die Fertigungstiefe überhaupt ein Messwert in der Betriebswirtschaftslehre und müssen Unternehmer sie ernst nehmen?

Fertigungstiefe: Alles selbst machen oder auf Partner setzen?

Was ist Fertigungstiefe?

In Prozent berechnet sich die Fertigungstiefe eines Unternehmens so: Dividiert wird die Eigenfertigung durch die Summe aus Eigenfertigung plus Fremdfertigung – multipliziert mit dem Wert 100. Mit anderen Worten: Es handelt sich einfach um das Verhältnis von Eigenfertigung zur Gesamtfertigung des Unternehmens.

Grundsätzlich hat der daraus entstandene Wert keine positiven oder negativen Eigenschaften. Eine hohe Fertigungstiefe ist nicht grundsätzlich besser als eine niedrige. Bedeutsam ist der Wert allerdings, weil er Schlussfolgerungen zum Thema Unabhängigkeit zulässt.

Dies hat sich in den letzten Jahren auch immer wieder gezeigt, wenn es zu Lieferverzögerungen kam. Globale Ereignisse, hohe Energiekosten und politische Konflikte können Einfluss auf die Lieferung von unzähligen Einzelteilen haben. Wenn ein Unternehmen für die Herstellung der eigenen Produkte beispielsweise auf hochwertige O-Ringe für die Dichtung angewiesen ist, besteht eine große Abhängigkeit von Herstellern und Zulieferern.

Unternehmen als reine Händler

Einige Unternehmenskonzepte basieren sogar bewusst auf einer geringen Fertigungstiefe. Händler produzieren nicht selbst, sondern sind nur eine Zwischenstation zwischen Produktion und Endkunden. Das hat den großen Nachteil, dass Abhängigkeiten von Herstellern und Zulieferern immer hoch sein werden – wer keine Ware bekommt, kann sie auch nicht verkaufen.

Gleichzeitig ist das Einsparpotential riesig. Denn es müssen weder Produktionsstätten gebaut noch Fachkräfte eingestellt werden. Eine geringe Fertigungstiefe bedeutet meist, dass Fachkräfte eine kleinere Rolle spielen – es wird ja weniger oder keine Expertise für die Fertigung benötigt. Das verringert die Kosten stark.

Unternehmen als völlig unabhängige Produzenten

Das genaue Gegenstück zu Unternehmen, die sich als reine Händler verstehen, sind Unternehmen mit hoher Fertigungstiefe. Das kann so weit gehen, dass jedes noch so kleine Einzelteil im eigenen Haus produziert wird. Natürlich ist dies vor allem bei weniger komplexen Produkten eine Option und da die meisten Hersteller keine eigenen Rohstoffe produzieren, ist 100 Prozent Fertigungstiefe eher unwahrscheinlich.

Hinzu kommt, dass es extrem kostenintensiv ist, dutzende verschiedene Einzelteile auf Top-Niveau zu produzieren. Somit lohnt sich dies meist nur bei Produkten, die sich an Kunden orientieren, die viel investieren können. Dafür erhält man aber bei hoher Fertigungstiefe auch Unabhängigkeit zurück. Alle Probleme können intern geregelt werden und es gibt keine Streitigkeiten mit Zulieferern oder anderen Herstellern. Auch die Qualitätskontrolle geschieht im eigenen Haus. Für einige Unternehmer ist es Ehrensache, so viel wie möglich selbst zu produzieren.

Outsourcing nimmt zu und nicht ab

Outsourcing wird beliebter. Somit sinkt in vielen Industrien die Fertigungstiefe der Unternehmen. Das liegt vor allem daran, dass eine hohe Fertigungstiefe mittlerweile meist Idealismus voraussetzt. Denn geht es um die reinen Gewinnprognosen, dann entscheiden sich die meisten Firmen, früher oder später mehr und mehr auszulagern.

Arbeitsteilung hat ihre Vorteile. Ein Unternehmen muss nicht auf die besonderen Anforderungen der Werkstoffe für die Produktion von Dichtungselementen spezialisiert sein, wenn ein Partnerunternehmen dies übernimmt. Es müssen für die Oberflächenveredelung weder Mitarbeiter eingestellt noch Maschinen beschaffen werden, wenn sie woanders stattfindet.

Spätestens dann, wenn viele Fertigungsschritte ins Ausland verlegt werden können, neigen viele Unternehmen zu einer geringeren Fertigungstiefe. Denn im Ausland kann häufig noch günstiger produziert werden. Solange einzelne Arbeitsschritte noch am eigenen Standort durchgeführt werden, kann sich trotzdem auf deutsche Qualität berufen werden. Gleichzeitig braucht es weniger Mitarbeiter und Maschinen. Nur wenn es dann mal zu Problemen kommt, spüren Unternehmer, dass eine niedrige Fertigungstiefe auch ihre Tücken hat.

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