Die „kognitive Dissonanz“ ist ein zentraler Begriff der Sozialpsychologie zur Erklärung der immer wieder zu beobachtenden hohen Überstimmung der eigenen Handlungen und des Glaubens, dass diese Handlungen auch gerechtfertigt sind. Kognitionen sind in diesem Zusammenhang als Gedanken einzustufen, die mit einer Bewertung verbunden sind. Zwischen Kognitionen können Konflikte (Dissonanzen) entstehen. Es kann aber auch ein Konflikt zwischen den eigenen Zielen und Wünschen und dem tatsächlichen Verhalten entstehen. Jede dieser Arten von Konflikten wird als Belastung empfunden und soll vermieden oder überwunden werden. Kurz gesagt: Kognitive Dissonanzen entstehen, wenn ein Entscheider verschiedene Wahrnehmungen hegt, die nicht miteinander vereinbar sind. Das daraus resultierende negative Gefühl kann für den Unternehmer sehr belastend sein – es ist daher wichtig um diesen Zustand zu wissen um die richtigen Entscheidungen treffen zu können!
Die Entwicklung des Begriffs der Kognitiven Dissonanz
Der Begriff der kognitiven Dissonanz wurde vom Sozialpsychologen Leon Festinger im Rahmen seiner Theorien zum Entscheidungsverhalten von Menschen entwickelt. Festiger hatte in den 1950er-Jahren festgestellt, dass nach einer Entscheidung deren Richtigkeit viel seltener bezweifelt wird als vor der Entscheidung. So kommen Käufer von langlebigen Konsumgütern oft nur sehr langsam zu einer Kaufentscheidung. Ist diese aber gefallen und ist die gekaufte Ware in Besitz genommen worden, dann dauert es nicht lange, bis alle Zweifel an der Richtigkeit des Kaufes verschwunden sind.
Relevanz des Begriffs
Festinger und andere Psychologen haben viel Aufwand betrieben, um die Theorie der kognitiven Dissonanz umfassend zu prüfen und zu beschreiben. Der Erfolg dieser Bemühungen kann daran abgelesen werden, dass die Theorie der kognitiven Dissonanz für alle Bereiche des menschlichen Verhaltens (besonders bei wirtschaftlichen Entscheidungen von Unternehmern) genutzt werden kann. Die Vermeidung von kognitiver Dissonanz ist eine universelle menschliche Haltung: Wer auf die Entscheidung vom Anderen Einfluss nehmen möchte, wird sein Kommunikationsverhalten auf diese Haltung ausrichten und versuchen, solche Kognitionen beim Anderen wirksam zu machen, die seine Ziele fördern können.
Ein Beispiel für (fehlende) kognitive Dissonanz:
Fast allen Rauchern ist klar, dass Rauchen extrem belastend für ihren Körper ist und dass sie sich erheblichen Gesundheitsgefahren aussetzen, wenn sie den Tabakkonsum fortsetzen. Die wissenschaftliche Faktenlage zum Thema Rauchen ist auch ausgereizt; faktisch alle neueren wissenschaftlichen Untersuchungen können einen engen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs und weiteren Erkrankungen aufzeigen. Auf Zigarettenpackungen wird mit Text und drastischen Bildern auf diese Gefahren hingewiesen. Fragt man hingegen Raucher nach ihrem Verhalten, dann scheinen sie davon unbeeindruckt zu sein: Sie rauchen gern, ihnen schmeckt die Zigarette nach dem Essen, sie kennen viele Leute, die trotz Rauchen lange und gesund gelebt haben und man verweist gerne auf den 95-jährigen Ex-Bundeskanzler, der immer noch mit Begeisterung raucht. Die Theorie der kognitiven Dissonanz gibt eine einfache Erklärung für dieses Verhalten der Raucher. Wer raucht, kann die kognitive Dissonanz (Differenz des eigenen Verhaltens in Bezug auf Ziele wie Gesundheit und langes gesundes Leben) nicht aushalten und entwickelt Strategien, um die Dissonanz zu überwinden. Dies kann beispielsweise durch Betonung anderer wichtiger Gefühle geschehen (im Beispiel oben die Betonung des guten Geschmacks) oder schlicht auf Verleugnung von offensichtlichen Tatsachen hinauslaufen.
Die Theorie der kognitiven Dissonanz im Detail
Fast alle Menschen streben danach, ein stabiles und positives Selbstbild zu haben. Bekommen Sie Informationen darüber, dass ihr Verhalten nicht ihrem Selbstbild entspricht, dann besteht die Gefahr der kognitiven Dissonanz. Das Selbstbild der eigenen Kognitionen (die bewusst erlebten und geglaubten Prinzipien des eigenen Handelns) gerät in Konflikt mit den als gültig übermittelten Tatsachen des Lebens.
Zwei Kognitionen stehen im Konflikt zueinander: Die Kognition, die das stabile Selbstbild repräsentiert, und die Kognition, die das eigene Verhalten wahrnimmt. Der Zustand der kognitiven Dissonanz wird als Belastung erlebt sowie eingestuft und soll überwunden werden. Hierzu gibt es viele Möglichkeiten. So könnte man beispielsweise das eigene Verhalten abändern (also zum Beispiel mit dem Rauchen aufhören, wenn man Informationen bekommt, dass das Rauchen im Widerspruch zum eigenen Ziel des gesunden Lebens steht), was aber in vielen Fällen schwierig ist. Deshalb wird als weitere Möglichkeit zur Verringerung der kognitiven Dissonanz eine Änderung der Kognitionen vorgenommen. Menschen ändern die Bewertung ab, die ihrer Zielhierarchie zugrunde liegen. Als dritte Möglichkeit zur Verringerung der kognitiven Dissonanz kann man aber weitere Kognitionen dem Denken hinzufügen, die die bestehenden Kognitionen abschwächen. So kann der Raucher, der weiter Raucher bleiben möchte, gezielt nach Personen in der Öffentlichkeit oder in seinem Bekanntenkreis suchen, die trotz Raucherverhaltens länger leben und auch gesund bleiben.
Kognitive Dissonanz im Bereich der wirtschaftlichen Handlungen
Die hohe Relevanz der Theorie zur kognitiven Dissonanz für die Wirtschaftswissenschaften und das Marketing von Unternehmen ist gut nachvollziehbar. Schließlich kommt es den Unternehmen darauf an, dass die Käufer von Waren oder Dienstleistungen nach dem Kauf überzeugt bleiben und somit zu Botschaften der Marke oder des Unternehmens werden sollen. Deshalb ist es naheliegend, beim Marketing die positiven Botschaften zu verstärken, die mit dem Produkt in Zusammenhang gebracht werden. Die Marktforschung zeigt diejenigen positiven Kognitionen auf, die von potentiellen Käufern mit dem Produkt in Verbindung gebracht werden. So wird beim Produkt Auto oft die Assoziation Freiheit und Unabhängigkeit im Marketing transportiert, obwohl in der Praxis das Auto oft zum Zeitkiller und zum Verbraucher von teuren Ressourcen werden kann. Ähnliches kann man bei vielen modernen Kommunikationsgeräten beobachten. Vor dem Kauf von teuren Smartphones haben viele oft das Gefühl, dass die Geräte teure Spielzeuge sind, die einen von der eigentlichen Arbeit abhalten könnten. Nach dem Kauf wird dies vehement abgestritten, weil man sich nicht eingestehen möchte, dass die hohen Erwartungen an produktives Arbeiten nicht eingetreten sind.
Aus diesen Beispielen wird deutlich, dass Konsumenten nur selektiv bei der Informationsaufnahme sind, wenn es um den Kauf von Waren oder Dienstleistungen geht. Insbesondere bei teuren Produkten fallen die Entscheidungen schwer, weil sie ja auch sehr nachhaltig wirken. Nach dem Kauf verschwinden aber viele dieser Bedenken, weil es lästig ist, immer wieder darüber zu reflektieren, ob man richtig gehandelt hat.