Walt-Disney-Methode

Walt Disney Kreativitätstechnik im Unternehmerlexikon

Walt Disney Kreativitätstechnik im UnternehmerlexikonDie Walt-Disney-Methode gehört zu den Kreativitätstechniken (wie zum Beispiel das Brainstorming oder das Brainwriting ). Wie die meisten dieser Techniken zielt auch die Walt-Disney-Methode darauf ab, den jedem Menschen innewohnenden inneren Richter bei den einer Idee entwickelnden Personen zunächst auszuschalten und so zu neuen Lösungen zu gelangen. Doch die Walt-Disney-Methode geht noch einen Schritt weiter: Durch ein schrittweises Hinzufügen kritischer Überlegungen hilft die Methode dabei, aus zunächst vagen Ideenskizzen oder Visionen realistische und alltagstaugliche Lösungen zu entwickeln.

Die Methode wurde natürlich nicht vom Comic-Autor Walt Disney entwickelt, sondern viel mehr von dem Berater und Trainer Robert B. Dilts entwickelt. Er beschrieb den erfolgreichen und außerordentlich kreativen amerikanischen Filmemacher Walt Disney als einen Menschen, der eigentlich aus drei Personen bestanden habe: Einem Träumer, einem Realisten und einem ausgesprochen kritischen Menschen.

Auf der Basis dieses Gedankens entwickelte Robert B. Dilts seine Methode: Sie besteht darin, ein Problem so lange aus den drei verschiedenen Perspektiven des Träumers, des Realisten und des Kritikers zu betrachten, bis ein Lösungsansatz entstanden ist, der vor den realen Rahmenbedingungen umsetzbar ist.

Die Walt-Disney-Methode kann auf die Arbeit mit Gruppen oder Einzelpersonen angewendet werden. Stets beinhaltet sie ein Rollenspiel, das die Teilnehmer befähigt, ein Problem aus den drei verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die Walt-Disney-Methode ähnelt daher methodisch den „Six Thinking Hats“ des britischen Wissenschaftlers Edward de Bono. Bei einer Anwendung als Gruppendiskussion nehmen verschiedene Teilnehmer jeweils eine Position ein und diskutieren ein Thema aus ihrer Rolle heraus.

Bei der Einzelanwendung hingegen begibt sich ein Teilnehmer nach und nach in die verschiedenen Positionen und betrachtet das Problem und die entstandenen Lösungsideen aus unterschiedlichen Perspektiven. Vor allem bei dieser Variante ist die Unterstützung durch einen Begleiter hilfreich, der die Ideen des Kreativen stichpunktartig notiert und darauf achtet, dass der Teilnehmer gedanklich stets in der Rolle der jeweils eingenommenen Position verbleibt.

Walt Disney: Träumer, Realist und KritikerIn der Praxis wird vorbereitend ein Setting mit vier Positionen – zum Beispiel mit vier an verschiedenen Orten aufgestellten Stühlen – gestaltet. Die Stühle werden mit je einer Rolle markiert: Der Rolle des neutralen Beobachters, der Rolle des Träumers, der Rolle des Realisten und der Rolle des Kritikers.

In der Folge wird die Variante der Einzelarbeit beschrieben. Bei der Gruppenanwendung wird jede der unterschiedlichen Personen von je einem anderen Teilnehmer wahrgenommen. Auch hier kann durch einen Begleiter darauf geachtet werden, dass die Rollen stets sauber getrennt bleiben und durch das Notieren der Ideen und Einwände – zum Beispiel auf einer Flipchart – hilfreich unterstützt werden.

Zunächst begibt sich der Teilnehmer in die Rolle des neutralen Beobachters. Von hier aus wird das Problem genau beschrieben und analysiert.

Dann begibt sich der Teilnehmer bewusst aus dieser Rolle heraus und nimmt die Position des Träumers ein: Die Rolle wird von Enthusiasmus und ausschließlich positivem Denken bestimmt. Praktische Grenzen interessieren den Träumer nicht. Der Rollenwechsel wird erleichtert, in dem der Moderator dazu auffordert, sich gedanklich in eine Umgebung zu begeben, die das Träumen erleichtert. Das kann ein Berg sein, ein Ort am Meer oder das heimische Sofa.

Nun wird durch den Teilnehmer aus der Sicht des Träumers ein Idealzustand beschrieben. Hierbei gilt wie bei anderen Kreativitätstechniken der Grundsatz: Alles ist erlaubt, und Kritik wird zunächst ausgeblendet. Als Eingangssatz für die Phase des Träumens eignen sich daher beispielsweise: „Wenn ich könnte, wie ich wollte, dann würde ich…“, oder „Wenn es keine Grenzen gäbe, dann würde ich …“.
Killerphrasen wie „Das geht doch nicht.“ sind hingegen strengstens verboten. Die Ideen werden nicht hinterfragt, sondern so wie sie entstehen durch den Begleiter aufgenommen. Als hilfreich hat sich die Begleitung durch einen Moderator oder Trainer erwiesen, der den Träumenden zu weiteren Ideen ermutigt. Erst wenn die Idee vollständig gebildet ist, und sich die kreative Person mit dieser gut fühlt, wird die Position gewechselt.

Auf der Position des Realisten oder Machers, die wieder durch einen gedanklichen Ortswechsel eingeleitet wurde, wird die Lösungsidee des Träumers aufgegriffen und unter pragmatischen Gesichtspunkten betrachtet: Was davon ist in der Realität umzusetzen? Wie könnte eine Überführung in die Praxis aussehen? Welche Arbeiten sind erforderlich?
Der Realist steht der Idee des Träumers wohlwollend gegenüber, doch betrachtet er sie vor dem Hintergrund der gegebenen Rahmenbedingungen.

In der Rolle des Kritikers schließlich prüft der Teilnehmer die in der Position des Träumers entwickelten Ansätze und die in der Position des Realisten vorgeschlagenen Maßnahmen. Der Kritiker ist herausfordernd und streng, sein Ziel ist es, Fehler und Risiken zu identifizieren und positive (!) Kritik zu üben.

Bei Bedarf werden nun die Rollen noch einige Male gewechselt. Das erfolgt so lange, bis die Teilnehmer eine für sie zufriedenstellende Lösung herausgearbeitet haben, die auch einer kritischen Überprüfung standhält.

Die letzte Position in der Walt-Disney-Methode ist stets die des neutralen Beobachters, in der die Lösung noch einmal betrachtet und abschließend eingeschätzt wird.

Walt-Disney-Methode

Hinweise zur Umsetzung der Walt-Disney-Methode

Insbesondere Personen oder Teams, die die Walt-Disney-Methode zum ersten Mal anwenden, tun sich mit der Herangehensweise oft ein wenig schwer. Zu sehr sind wir es gewohnt, schnell und direkt eine Lösung erarbeiten zu wollen. Auch fällt es oft leichter zu kritisieren als visionär zu denken.

Wichtig ist daher, dass für die Arbeit in den einzelnen Rollen ausreichend Zeit zur Verfügung steht, so dass die Idee in jeder Position vollständig entwickelt werden kann. Es sollte auch klar gestellt werden, dass es normal und richtig ist, die Positionen mehrfach zu durchlaufen. Und zwar so lange, bis eine Lösung gefunden ist, die alle Kritikpunkte berücksichtigt hat. Falls das Projekt diesen Spielraum zulässt, kann sogar eine weitere zeitliche Trennung der Positionen erfolgen, um den Perspektivenwechsel zu erleichtern: Im ersten Meeting wird geträumt, im zweiten realisiert und im dritten kritisiert.

Stets ist der Moderator gefordert, darauf zu achten, dass die Rollen strikt eingehalten und insbesondere die Ideen in der Träumerphase nicht von vorneherein durch Kritik zerstört werden. Falls nötig, kann dies auch durch eine stärkere räumliche Trennung unterstützt werden: So sucht sich der Träumer nicht nur gedanklich, sondern tatsächlich einen Ort im Freien, der Realisierer und der Kritiker gehen in jeweils getrennte Arbeitsräume.

Ein Beispiel aus der Praxis zur Walt-Disney-Methode

Frau M, 35 Jahre alt, möchte sich selbständig machen. Sie hat Kenntnisse in verschiedenen Sprachen und Freude am Umgang mit Menschen. Zurzeit arbeitet sie als Sekretärin in einem kleinen Handelsbetrieb. Zu ihren Hobbys zählen das Kochen und das Schreiben, vor vielen Jahren hat sie einmal Geschichte studiert, in diesem Fach jedoch nie gearbeitet. Sie ist ledig und kinderlos und besitzt aufgrund einer Erbschaft einige Ersparnisse.
Die Frage lautet: Welche Möglichkeiten gibt es für Frau M, sich auf der Basis der gegebenen Voraussetzungen selbständig zu machen?

„Auf der Position des Träumers antwortet Frau M: Wenn ich noch einmal könnte wie ich wollte, dann würde ich Reisejournalistin werden. Ich würde um die Welt reisen, interessante Menschen kennenlernen und darüber schreiben. Ich würde an antike Orte fahren und dort mit eigenen Augen sehen, worüber ich bisher nur gelesen habe. Danach würde ich darüber eine Reportage verfassen und diese an eine Zeitschrift verkaufen. Da ich richtig gut wäre, würde ich schnell ausreichend Geld verdienen, um weitere Reisen anzutreten.“

Der Moderator bittet nun Frau M, sich gedanklich in diese Situation zu begeben. Indem er sie beschreiben lässt, was sie nun sieht, hört, fühlt und denkt, erlaubt er Frau M, sich in die vorgestellte Situation hineinzufühlen. Frau M berichtet, dass sie sich mit der Idee sehr gut fühlt. Nun bittet der Moderator Frau M, auf der Position des Realisten Platz zu nehmen:

Frau M überlegt: Dank ihrer Sprachkenntnisse dürfte es ihr nicht schwerfallen, mit Menschen in fremden Ländern in Kontakt zu kommen. Auch ihre Geschichtskenntnisse sind eine gute Voraussetzung für wissenschaftlich fundierte Artikel und Reportagen. Allerdings ist die journalistische Arbeit für Frau M noch fremd, sie weiß weder, was von ihr erwartet wird, noch wie sie sich professionell bei einem Verlag verkauft. Hierzu wäre es realistisch, entsprechende Kenntnisse zu erwerben. Frau M denkt über ein Volontariat oder einen Fernkurs nach. Die ersten Reisen könnte Frau M mit Hilfe ihrer Ersparnisse finanzieren, auch hat sie ein finanzielles Polster, das groß genug ist, um eine erste Zeit ohne Einkünfte zu überstehen. Frau M ist recht zufrieden mit ihrem Plan.

In der Position des Kritikers sieht Frau M nun jedoch die Risiken ihres Vorhabens: Was passiert, wenn sie niemals Aufträge erhält? Welche Chancen hat sie überhaupt als Quereinsteigerin? Reichen ihre Qualifikationen, um professionell arbeiten zu können? Welche rechtlichen Erfordernisse muss sie erfüllen?
Schon will Frau M vollständig von ihrem Plan zurücktreten, doch der Moderator bittet sie zurück in die Position des Realisten.

Hier geht Frau M schrittweise die eben aufgeworfenen Fragen durch: Der unklaren Auftragslage und der damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheit könnte Frau M dadurch begegnen, dass sie für den Anfang zunächst ihre Arbeitsstelle als Sekretärin behält. Dann könnte sie zwar ihre Tätigkeit als Reisejournalistin nicht mit Fahrten in fremde Länder verbinden, doch sie könnte in finanzieller Sicherheit erste Erfahrungen auf dem journalistischen Markt sammeln. So könnte sie in den ersten Versuchen Artikel über ihre Heimatstadt oder über das Kochen verfassen und diese bei verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen anbieten. Dieses Vorgehen würde ihr mit wenig Risiko bereits viel über ihre Chancen auf dem freien Markt vermitteln. Darüber hinaus könnte sie sich im Austausch mit anderen Journalisten über die Tätigkeit informieren und sich mit den verschiedenen Lehrgangsangeboten auseinandersetzen. Auch könnte sie Kontakt zu einer Redaktion aufnehmen und sich für ein Volontariat bewerben, um das nötige Handwerkszeug zu erhalten.

Nachdem die vom Kritiker aufgeworfenen Fragen durch den Realisten geklärt wurden, geht Frau M noch einmal auf die Position des Kritikers:

Der Kritiker fragt nach, ob sich der Aktionsplan von Frau M mit der Tätigkeit als Sekretärin vereinbaren lässt. Bis auf das Volontariat kann Frau M alle Fragen mit Ja beantworten. Das Volontariat wird aus dem Aktionsplan gestrichen.

Auf der neutralen Position wird nun die Lösung betrachtet:

Frau M behält zunächst ihre Arbeitsstelle als Sekretärin und beginnt damit, sich über den Beruf der Reisejournalistin umfassend zu informieren. Dafür wird sie Kontakt zu anderen Journalisten und Redaktionen aufnehmen und sich über das Angebot an Lehrgängen informieren, um das notwendige Handwerkszeug zu erlernen. Danach wird sie beginnen, eigene Artikel und Reportagen zu verfassen und ihre Chancen auf dem freien Markt zu sondieren. Erst wenn Frau M fest im journalistischen Betrieb etabliert ist, wird sie darüber nachdenken, ihre Stelle aufzugeben, um hauptberuflich vom Schreiben und Reisen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Frau M kann sich all diese Schritte gut vorstellen und fühlt sich bei der Vorstellung, diese umzusetzen, wohl. Die Lösung ist erarbeitet.

Übrigens, Sie sollten sich auch unseren Lexikonbeitrag zur Galeriemethode (eine weitere Kreativitätstechnik) ansehen!

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